Sonntag, 31. Mai 2015

AMERICAN SNIPER (Clint Eastwood, 2014)

The thing that haunts me are all the guys that I couldn't save.

American Sniper ist das perfekte Beispiel dafür, wie herrlich unbeschwert die Amerikaner mit ihren kriegerischen Auseinandersetzungen umgehen. Da können wir in unserer typisch deutschen Befangenheit nur neidisch werden. Chris Kyle ist ein Kriegsheld, und als solchen inszeniert Eastwood ihn auch. Wenn er Unbehagen empfindet, dann nicht etwa dabei, während seiner Einsätze Menschen zu töten, sondern allenfalls angesichts dessen, dass es ihm nicht gelingt, noch mehr Kameraden durch seine Abschüsse das Leben zu retten. Während der Einsätze strahlt er stets eine stoische Ruhe aus und funktioniert wie eine gut gewartete Maschine. Selbst ein minderjähriger Junge, der im Verdacht steht, ein Attentäter zu sein, lässt ihn nur für Sekundenbruchteile zögern, bevor er ihm das Lebenslicht löscht. Im Film dauert das freilich viel länger, weil Eastwood noch eine längere Rückblende mit prägenden Momenten in Kyles Kindheit einschiebt.

American Sniper ist geradlinig, direkt und wie ein gezielter Schlag in die Fresse. Oder ein Schuss in den Kopf, um im Bild zu bleiben. Etwas merkwürdig mutet allenfalls der erfundene Scharfschütze der Gegenseite namens Mustafa an, ein Kniff, um Kyle einen halbwegs würdigen Gegenspieler zu verschaffen. Wobei die Vorstellung, dass zwei gegnerische Scharfschützen über Monate hinweg versuchen, sich gegenseitig zu eliminieren bei genauer Betrachtung doch reichlich albern ist. Doch im dramaturgischen Sinne hat die Idee durchaus Charme und sorgt für zusätzliche Spannungsmomente.

Eastwood inszeniert die Geschichte in der ihm eigenen Souveränität und mit den bei vielen seiner letzten Filmen üblichen Rückblenden. Bradley Cooper, der übrigens dem echten Chris Kyle erstaunlich ähnlich sieht und der mir bis dato völlig unbekannt war, weil ich keinen seiner bisherigen Filme kenne, liefert eine starke Vorstellung ab. Ihm gelingt es, Kyles innere Zerrissenheit überzeugend darzustellen, seine Probleme im sozialen Miteinander zuhause einerseits und seine eiskalte, präzise Ausführung der Aufträge im Krieg andererseits. Die zahlreichen Gefechtsszenen sind großartig inszeniert und vermitteln einen hervorragenden Eindruck davon wie es sich anfühlt, mitten im irakischen Kampfgebiet zu sein.

American Sniper ist sicherlich ein Film, über den man kontrovers diskutieren kann, wobei die zum Teil erhobenen Vorwürfe, er würde den Krieg glorifizieren, ins Leere gehen. Ein patriotischer Film zweifellos, aber eben keiner, der im Pathos ertrinkt. Ich jedenfalls habe den unbekümmerten Umgang mit dem Thema als höchst erfrischend empfunden und American Sniper als einen durch und durch großartigen Film – einer von so vielen im qualitativ hochwertigen und an Höhepunkten reichen Alterswerk des kalifornischen Regisseurs. Möge er uns noch lange erhalten bleiben und noch möglichst viele Filme dieser Qualität abliefern!

Mittwoch, 20. Mai 2015

SPARTACUS (Stanley Kubrick, 1960)

Ein Monumentalfilm klassischer Prägung, den Kubrick als Auftragsarbeit inszeniert hat, nachdem der eigentlich vorgesehene Regisseur Anthony Mann kurz nach Drehbeginn gefeuert worden war. Ich habe grundsätzlich ein eher schwieriges Verhältnis zu Kubricks Werk, denn neben einigen hervorragenden Arbeiten hat er auch Filme gemacht, zu denen ich gar keinen Zugang finde. Die bedingungslose Verehrung, die viele Filmfreunde ihm zuteil werden lassen, konnte ich mir nie zueigen machen. Für die Sichtung von Spartacus spielt das jedoch eine untergeordnete Rolle, da Kubrick aufgrund der oben beschriebenen Umstände nur wenig Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung hatte.

Während der für derartige Filme üblichen sehr üppigen Spieldauer von knapp 200 Minuten (inklusive Ouvertüre und Intermission) gilt es fast schon zwangsläufig die ein oder andere Länge zu überstehen. Dazu zählt nicht zuletzt die nachträglich eingefügte schwule Badeszene, die dem Film keinerlei Mehrwert bietet, sondern wie ein Fremdkörper wirkt. Die Entscheidung, sie zu entfernen, war in jedem Fall richtig und man würde sich wünschen, die Verantwortlichen für die Restauration hätten das genauso gesehen und sie einfach weggelassen.

Darüber hinaus gibt es Einiges, was man Spartacus als Schwäche ankreiden kann. Dabei meine ich weniger die historischen Ungenauigkeiten, die man getrost vernachlässigen kann. Ärgerlich ist vor allem die Einbindung der Sklavin Varinia als Spartacus Frau – eine Figur, die schlichtweg überflüssig ist. Die Ränkespiele im römischen Senat sind an sich ganz gut umgesetzt, jedoch ist das Handeln des Volkstribuns Gracchus völlig unglaubwürdig und in sich nicht schlüssig – da kann Charles Laughton noch so charmant aufspielen. Ein weiteres Problem liegt in der Besetzung der Hauptrolle mit Kirk Douglas (der den Film mit produziert hat), der nun mal ein eher unsympathischer Bursche ist – im Gegensatz zu seinem Sohn Michael – und es dadurch dem Zuschauer schwer macht, sich mit ihm und seinem Anliegen zu identifizieren. Wobei die emotionale Einbindung des Zuschauers ohnehin nie eine Stärke Kubricks war. Und das melodramatische Ende, bei dem der am Kreuz hängende Spartacus auf seinen neugeborenen Sohn herabblickt, hätte ich erst recht nicht gebraucht. Hier wird Spartacus zur Jesusfigur stilisiert, nachdem der Film bis dahin einen nicht zu übersehenden marxistischen Grundton hatte, was zumindest im ersten Augenblick ein Widerspruch zu sein scheint.

Allerdings werden all diese Schwachpunkte durch die höchst imposanten Massenszenen und die beeindruckende Ausstattung mehr als wettgemacht. Die Inszenierung ist jederzeit souverän und die Kamera verliert auch bei Szenen mit hunderten von Darstellern nie den Überblick. Die Geschichte ist spannend, auch wenn der Ausgang allgemein bekannt ist. Auch was die Besetzung angeht, wird hier ordentlich geklotzt: neben Kirk Douglas kommen u. a. Laurence Olivier, Peter Ustinov, Tony Curtis und Charles Laughton zum Einsatz, die allesamt in ihren Rollen überzeugen. So ist am Ende ein über weite Strecken unterhaltsamer Film mit vielen Schauwerten, aber auch nicht zu übersehenden Schwächen entstanden, der unter den Monumentalfilm keine herausragende Stellung einnimmt. Sehenswert ist er dennoch.

Montag, 18. Mai 2015

BLACKHAT (Michael Mann, 2014)

You can call me "chica" any time you want.

Nachdem Michael Mann mehr als zwanzig Jahre lang einen tollen Film nach dem anderen gedreht hatte – ok, Ali war nicht ganz so toll wie die anderen, aber auch noch ordentlich – konnten mich seine beiden letzten Arbeiten nicht recht überzeugen. Auf den belanglosen Miami Vice folgten der noch belanglosere Public Enemies und eine mehrjährige Schaffenspause, die mit der Veröffentlichung von Blackhat nun zu Ende gegangen ist. Und auch wenn er damit nicht an seine ganz großen Zeiten anknüpfen kann, ist ein klarer Aufwärtstrend festzustellen. Blackhat ist wohl das, was man als Cyber-Thriller bezeichnen kann, doch macht Mann keinen Hehl daraus, dass ihm die Story im Grunde genommen egal ist. Ihm geht es vielmehr darum, urbane Landschaften stilgerecht in Szene zu setzen, vorzugsweise nachts natürlich. Und dies gelingt ihm wie immer ganz ausgezeichnet. Durch die vielen Ortswechsel wähnt man sich phasenweise in einem Agententhriller, und tatsächlich sieht Blackhat wie die Michael-Mann-Variante eines James-Bond-Films aus.

Das Tempo ist durchgehend hoch und erzeugt eine enorme Spannung. Da fällt es nicht weiter ins Gewicht, dass die Story einige Kapriolen schlägt und die ein oder andere Logiklücke aufweist, denn bei der atemlosen Hatz bleibt kaum Zeit, darüber nachzudenken. Chris Hemsworth, von dessen Filmen ich aufgrund meiner Aversion gegen Comic-Verfilmungen nur Rush kenne, macht seine Sache ausgezeichnet und gibt eine ebenso starke wie sympathische Identifikationsfigur ab. Dabei mutiert er allerdings zu einem Superhelden, den man eher in einer der erwähnten Comic-Umsetzungen als in einem Michael-Mann-Film vermuten würde. Nicht nur, dass er sich in sämtliche Computer und Systeme hacken, schießen, kämpfen und es mit vier Mann gleichzeitig aufnehmen kann, hat er auch als Einziger den Durchblick und ist in der Lage, die einzelnen Puzzleteile zum großen Ganzen zusammenzusetzen. Und über den Showdown am Ende will ich erst gar nicht reden. Aber über die fehlende Realitätsnähe von Blackhat habe ich mich ja schon weiter oben ausgelassen, also sei's drum.

Höhepunkte sind nach meinem Dafürhalten die beiden räumlich sehr breit angelegten Schießereien, von denen die zweite starke Parallelen zu dem großen Shootout in Heat aufweist, im direkten Vergleich allerdings den Kürzeren zieht. Das Sounddesign ist dabei äußerst dynamisch und vermittelt eine räumliche Tiefe, die ihresgleichen sucht. Blackhat ist sicherlich kein filmischer Meilenstein und verfügt über genügend Schwächen, die man kritisieren kann. In Manns Schaffen nimmt er dennoch einen Platz im soliden Mittelfeld ein und gibt zur Hoffnung Anlass, dass der Filmemacher aus Chicago sein Pulver noch nicht verschossen hat. Bleibt zu hoffen, dass er sich für seine nächste Arbeit nicht ganz so viel Zeit lässt - schließlich wird er nicht jünger.

Sonntag, 10. Mai 2015

BIRDMAN: OR (THE UNEXPECTED VIRTUE OF IGNORANCE) (Alejandro González Iñárritu, 2014)

Sixty's the new thirty, motherfucker!

Iñárritus fünfter Spielfilm ist eine höchst kurzweilige und amüsante Satire, die das Showbusiness und den Umgang mit dem Älterwerden gekonnt auf's Korn nimmt. Die Selbstironie beginnt schon bei der Besetzung der Hauptrolle mit Michael Keaton. Er spielt Riggan Thomson, einen Schauspieler, dessen verblassender Ruhm aus seiner Rolle als Superheld Birdman vor mehr als zwanzig Jahren resultiert und der nun versucht, mit der Inszenierung eines Theaterstückes zu neuerlichem Ruhm zu gelangen. Ausgerechnet Keaton also, der etwa zur gleichen Zeit wie Riggan im Film in Burtons Batman-Filmen die Hauptrolle übernommen hatte, und so sind die Ähnlichkeiten zwischen den Superhelden Batman und Birdman natürlich kein Zufall. Doch während er nach außen den starken Macher gibt, der alles im Griff zu haben scheint, ist Riggan in Wahrheit von Unsicherheit und Selbstzweifeln geplagt. Die überdimensionale Comic-Figur des Birdman hat so etwas wie ein Eigenleben entwickelt und verfolgt ihn ständig als seine stets präsente innere Stimme. Auch ist Riggan in seinem Streben nach Ruhm und Anerkennung nicht alleine, denn wie sich im weiteren Verlauf der Handlung herausstellt, sind auch die übrigen Darsteller von Selbstzweifeln geplagt. Insbesondere der Broadway-Star Mike (großartig: Edward Norton) eifert mit Riggan darum, wem die größte Aufmerksamkeit zu teil wird. Und dann gibt es noch Riggans orientierungslose Tochter Sam, der er nach ihrem gerade absolvierten Drogenentzug eine Assistenzstelle verschafft hat. Und so ist Birdman nicht nur Satire, sondern beinhaltet neben komischen Elementen auch viele tragische Aspekte. Im Zentrum steht dabei natürlich Riggan, der sich immer mehr in die Sache hineinsteigert und zunehmend die Kontrolle über sich verliert. Dabei begibt er sich auf einen Selbstzerstörungstrip, der von gewalttätigen Wutausbrüchen, heftigen Stimmungsschwankungen, unkontrollierten Saufgelagen und Wahnvorstellungen geprägt ist, wobei Realität und Einbildung für den Zuschauer schon zu Beginn kaum auseinander zu halten sind und im weiteren Verlauf immer mehr miteinander verschmelzen.

Das gewitzte Drehbuch hält das Tempo die ganze Zeit über hoch und gönnt dem Zuschauer kaum eine Verschnaufpause. Die dadurch entstehende Unruhe spiegelt zugleich Riggans Gemütszustand sehr treffend wieder. Unterstützt wird dies durch den originellen Score, der ganz überwiegend aus Drum-Soli besteht. Verantwortlich dafür zeichnet der mexikanische Jazz-Drummer Antonio Sanchez, der die Felle virtuos bearbeitet und vielen Szenen durch sein Spiel eine zusätzliche Unruhe verleiht. So überlagern die Drums zum Teil die Dialoge so sehr, dass man sich anstrengen muss, um alles mitzubekommen. 

Die Kameraführung ist brillant und erweckt den Eindruck, der Großteil des Films (abgesehen von der Eröffnungssequenz und den Szenen vor Riggans Erwachen im Krankenzimmer) sei in einem einzigen Take entstanden, zumindest sind keine wahrnehmbaren Schnitte vorhanden. Ein oft verwendetes Hilfsmittel, um diesen Effekt zu erreichen, ist der Einsatz von Spiegelungen in Dialogszenen, insbesondere in den Umkleidekabinen. So sind beide Gesprächsteilnehmer auch dann zusammen im Bild, wenn sie nicht direkt nebeneinander stehen, ohne dass dafür ein Wechsel der Kameraperspektive notwendig wird. Häufig kommt auch eine Handkamera zum Einsatz, die den jeweiligen Protagonisten – meistens Riggan – aus der Verfolgerperspektive zeigt. Die Art der Inszenierung sorgt für einen beständigen Fluss, immer ist alles in Bewegung. Stillstand gibt es nicht, aber eben auch keine Erholungspause für die Protagonisten, keine Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen. In Kombination mit den pointierten Dialogen und den überzeugenden Darstellerleistungen ergibt dies bei aller inhärenten Tragik eine leichtfüßige, homogene Mischung, die ausgesprochen gut unterhält.

Mittwoch, 6. Mai 2015

IL COLOSSO DI RODI (Sergio Leone, 1961)

Bei Il Colosso di Rodi (Der Koloss von Rhodos) handelt es sich um das Regiedebüt des großen Sergio Leone, nachdem er bis dahin in zahlreichen Filmen als Regieassistent und Second-Unit-Director etc. gearbeitet hatte. Wer mein Geschreibsel schon etwas länger verfolgt, dem dürfte nicht entgangen sein, dass der Italiener zu meinen absoluten Lieblingsregisseuren zählt und ich den Mann zutiefst verehre. Und das schon seit mehreren Jahrzehnten, denn bereits als Heranwachsender habe ich insbesondere seine Western geliebt.

Sein Spielfilmdebüt fällt im Vergleich mit seinen späteren Filmen doch deutlich ab und dies liegt nicht nur daran, dass er hier noch nicht auf die Dienste Ennio Morricones zurückgreifen konnte, dessen großartige Musik ein stilbildendes Element der übrigen Leone-Filme ist. Schon bei früheren Sichtungen konnte ich auch große inszenatorische Unterschiede ausmachen zu seinen sechs darauf folgenden Filmen. Im Vergleich zu jenen wirkt Il Colosso di Rodi beinahe identitätslos und beliebig. Im Grunde genommen handelt es sich um einen typischen Sandalenfilm, wie sie in den 60er Jahren zuhauf in Italien produziert wurden. Am ehesten ist Leones Handschrift noch bei den ausgedehnten Folterszenen zu erkennen, die er regelrecht zelebrierte und deren Inszenierung ihm offenkundig großen Spaß bereitete. Beispielhaft seien das Tröpfeln der Säure auf die Rücken der gefesselten Männer genannt oder auch die Verhörszene, in der dem Anführer der Aufständischen eine gusseiserne Glocke über den Körper gestülpt und diese so lange bearbeitet wird, bis dem armen Kerl das Blut aus den Ohren läuft. 

Ansonsten hat Il Colosso di Rodi nicht sonderlich viel zu bieten. Die Entwicklung der Geschichte ist weder originell noch zwingend, die Handlung mäandert eher ziellos umher. Auch darstellerisch wird bestenfalls Mittelmaß geboten. Die Hauptrolle spielt Rory Calhoun, der sich bis dahin vor allem als Western-Darsteller hervorgetan hatte. Die Kulissen hingegen sind ganz ansehnlich und auch die zahlreichen Massenszenen verfehlen ihre Wirkung nicht. So richtig monumental wird’s aber nie – der Abstand zu den Hollywood-Streifen jener Zeit ist dann doch gewaltig. Eine positive Erwähnung sind allerdings die Effekte wert. Das große Erdbeben zum Schluss wurde sehr effektvoll in Szene gesetzt und bringt Leones Debüt dann doch noch zu einem versöhnlichen Abschluss. Und so ist Il Colosso di Rodi ein zwar recht unterhaltsamer, aber auch mit großem Abstand Leones schwächster Film. Eine Auftragsarbeit, die ihm jedoch den Weg zu einer außergewöhnlichen, wenn auch leider nicht übermäßig produktiven Karriere ebnete. Dies alleine ist Grund genug, ihn immer mal wieder einer Sichtung zu unterziehen.

Sonntag, 3. Mai 2015

THE BEGUILED (Don Siegel, 1971)

Die Sichtung des Films bin ich völlig unvorbereitet angegangen, d. h. ich hatte vorher weder etwas darüber gelesen noch wusste ich, worum es überhaupt geht. Dies erwies sich als Glücksfall, denn The Beguiled nimmt sowohl im Œuvre seines Hauptdarstellers als auch in dem seines Regisseurs eine Sonderstellung ein.

Das Filmplakat führt den Zuschauer auf eine falsche Fährte, wobei es mal dahingestellt sei, aus welchen Motiven die Gestaltung derart erfolgte. Nachdem Eastwood sich mit seinen vorherigen Filmen einen Namen als harter Hund gemacht hatte, ist er hier in einer für ihn ungewöhnlichen Opferrolle zu sehen: als Soldat der Unionisten wird er im Süden des Landes schwer verletzt und in einem Mädcheninternat gesund gepflegt. Obwohl schnell klar wird, dass die Leiterin des Internats beabsichtigt, ihn den Südstaatenpatrouillen zu übergeben, sobald er sich einigermaßen erholt hat, sieht die Lage für McBurney zunächst nicht sehr bedrohlich aus. Ihm gelingt es, die Damen nach und nach um den Finger zu wickeln, was weniger auf seinen Charme zurückzuführen ist als auf die lange Absenz von Männern und der daraus resultierende Mangel an männlicher Zuneigung. Doch je stärker die Dinge zu seinen Gunsten laufen, desto unvorsichtiger wird McBurney. Er merkt nicht, dass er den Bogen überspannt, obwohl ihm spätestens der Verrat der nymphomanen Carol Warnung genug hätte sein müssen. Und so nehmen die Dinge ihren Lauf – mit einer höchst unerfreulichen Wendung für McBurney. Doch auch nach der Amputation – ob sie medizinisch tatsächlich notwendig war oder aus Rache erfolgte, lässt Siegel bewusst im Dunkeln – meint er noch, die Lage im Griff zu haben. Statt zu versuchen, ohne weitere Schäden den Fängen der Damen zu entkommen, geht er immer weiter seinem Verhängnis entgegen. In seiner grenzenlosen Hybris bringt er alle gegen sich auf, selbst das Sklavenmädchen stößt er mit einer in Aussicht gestellten Vergewaltigung vor den Kopf. Und so bekommt er schließlich das, wonach er regelrecht gebettelt zu haben scheint...

The Beguiled ist eine etwas eigenartige, nichtsdestotrotz aber äußerst gelungene Mischung aus Bürgerkriegsfilm, Südstaatendrama, Kammerspiel und Psychothriller. Angesichts meiner bisherigen Begegnungen mit Siegels Werken hatte ich ihm Vieles zugetraut – einen solchen Film gewiss nicht. Umso erfreulicher, wie gut alles zusammenpasst und welch stimmiger Film The Beguiled geworden ist. Einen erheblichen Anteil daran haben die hervorragenden weiblichen Darsteller, von Geraldine Page über die spröde Elizabeth Hartman bis zur damals erst 12-jährigen Pamelyn Ferdin. Der Titel, der übersetzt so viel wie Der Getäuschte bedeutet, ist ebenso treffend wie vielsagend: McBurney schätzt die ganze Zeit über seine Lage völlig falsch ein; eine Kette von Irrtümern, die ihm schließlich zum Verhängnis wird. Wenn man unbedingt will, kann man The Beguiled natürlich auch als Demontage des von Eastwood bis dahin gepflegten Images des harten Mannes interpretieren. Muss man aber nicht. Doch klar ist: dem Mann ohne Namen wäre das nicht passiert...

Freitag, 1. Mai 2015

THE KILLERS (Robert Siodmak, 1946)

I'm through with all that runnin' around.

The Killers basiert ebenso wie der gleichnamige Siegel-Film, über den ich mich hier bereits ausgelassen habe, auf einer Kurzgeschichte Ernest Hemingways. Während die Sichtung des Siegel-Films damals in Unkenntnis der literarischen Vorlage erfolgte, habe ich die Geschichte inzwischen gelesen. Allerdings ist sie nur wenige Seiten lang, und so ist es umso interessanter zu sehen, was die beiden Regisseure daraus gemacht haben. Im Ergebnis sind beide Filme nämlich grundverschieden und verfolgen völlig unterschiedliche Ansätze. Während Siegel nur die Grundkonstellation – zwei Profikiller kommen in eine Stadt, um einen Mann zu töten, der dies gleichgültig hinnimmt – übernommen hat und die Geschichte aus Sicht der beiden Killer erzählt, hält sich Siodmak streng an die Vorlage. Die ersten 11 Minuten entsprechen nahezu 1:1 Hemingways Geschichte, selbst die Dialoge wurden größtenteils wörtlich übernommen. Im Anschluss daran entfaltet sich ein klassischer Film noir, der die Handlung aus Sicht des Versicherungsermittlers Jim Reardon schildert. Die Erzählung der Vorgeschichte erfolgt dabei nicht chronologisch, sondern in zahlreichen Rückblenden, und zwar jeweils aus der Perspektive des Zeugen, den Reardon gerade vernimmt. Als Zuschauer weiß man immer so viel wie der Ermittler. So setzt sich das Puzzle Stück für Stück zusammen und ergibt am Ende eine durchdachte und schlüssige Geschichte, die die Vorlage auf glaubwürdige Weise fortsetzt.

Die Art der Inszenierung verleiht The Killers eine dokumentarische Note und das geschickte Spiel mit Licht und Schatten erzeugt eine Atmosphäre, die zum Greifen dicht ist. Die Rolle der Femme fatale übernimmt Ava Gardner, die hier in ihrer ersten größeren Rolle zu sehen ist und u. a. Burt Lancaster (ebenfalls in seiner ersten Rolle) den Kopf verdreht. Punkten kann sie vor allem mit ihrer sinnlichen Ausstrahlung.

The Killers ist ein packender und höchst unterhaltsamer Film, der Siegels Version in nichts nachsteht. Wobei es sich aufgrund der vollkommen unterschiedlichen Ansätze ohnehin verbietet, Siegels Film als Remake des Siodmak-Werks zu bezeichnen. Und so sind aus Hemingways knapper Vorlage zwei ganz hervorragende Filme entstanden, wobei ich mich noch nicht mal festlegen könnte, welcher von beiden nun der Bessere ist.